
Bedeutung der invasiven und nichtinvasiven CO2-Überwachung auf der Neugeborenenintensivstation (NICU)
Frühgeburten gehören fast überall auf der Welt zu den Hauptursachen für Mortalität und Morbidität bei Neugeborenen [1]. Die Behandlung extrem unreifer Frühgeborener ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass Neonatologen heute routinemäßig Frühchen mit einem Gestationsalter in Schwangerschaftswoche 22 und 23 versorgen, was früher als an der Grenze der Lebensfähigkeit galt [2].
Da zunehmend mehr dieser kleinsten Frühchen überleben, stehen verstärkt die langfristigen Folgen einer Frühgeburt im Fokus [2]. Seit Langem ist bekannt, dass eine engmaschige Überwachung der CO2-Werte im Blut von Frühgeborenen die Wahrscheinlichkeit eines positiven Verlaufs erhöht [3]. Sowohl Hypokapnie als auch Hyperkapnie werden mit unerwünschten langfristigen Folgen für Frühchen in Verbindung gebracht, wie dem erhöhten Risiko einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD), intraventrikulärer Blutung (IVH) und Hirnläsionen [4]. Aufgrund der Bedeutsamkeit der CO2-Überwachung empfehlen die aktuellen Leitlinien des UK National Institute for Health and Care Excellence (NICE) die CO2-Überwachung von Neugeborenen unmittelbar nach der ersten Stabilisierung bis zur Entlassung [5].
Die CO2-Überwachung kann invasiv (durch Fersenstich, Punktion einer Vene/Arterie oder Blutentnahme über einen Verweilkatheter) oder nichtinvasiv (z. B. durch endtidales oder transkutane Monitoring) erfolgen. In der Fachwelt besteht Konsens darüber, dass das nichtinvasive Monitoring die invasive Überwachung nicht ersetzen kann, aber eine sinnvolle Ergänzung dazu ist [6].
CO2 und zerebrale Autoregulation
Das Gehirn ist in der Lage, den zerebralen Blutfluss über einen großen Wertebereich des zerebralen Perfusionsdrucks hinweg konstant zu halten. Dies wird als zerebrale Autoregulation bezeichnet [7]. Mit anderen Worten führen Blutdruckschwankungen, die bei Frühgeborenen häufig auftreten, nicht zu einer Veränderung des zerebralen Blutflusses und der Sauerstoffversorgung (Abbildung 1).
Die zerebrale Autoregulation verfolgt drei Hauptziele: Versorgung des Gehirns mit einer konstanten O2-Menge, Elimination von CO2 und anderen Metaboliten und Aufrechterhaltung eines gleichbleibenden zerebralen Blutflusses [7]. Obwohl die zerebrale Autoregulation seit den 1970er Jahren erforscht wird, ist der zugrunde liegende Mechanismus immer noch nicht vollständig geklärt. Bei Frühgeborenen wird die zerebrale Autoregulation von zahlreichen Faktoren beeinflusst, wie Gestationsalter, Hypoxie, Atemwegserkrankungen, angeborenen Herzerkrankungen und nekrotisierender Enterokolitis. Diese können die Reaktionsfähigkeit der Blutgefäße im Gehirn gegenüber CO2 und O2 beeinflussen [7]. .
Eine Änderung der Reaktionsfähigkeit kann sich auf den zerebralen Blutfluss auswirken und Schwankungen der CO2- und O2-Werte verursachen. Das erhöht das Risiko einer intraventrikulären Blutung (IVH) und damit eines negativen Verlaufs für das Frühgeborene [8]. Demzufolge ist eine engmaschige CO2-Überwachung gerade für Neugeborene, auf die die o.g. Faktoren zutreffen, besonders wichtig.
Abb. 1. Korrelation zwischen Perfusionsdruck und Blutfluss im Gehirn. Im Bereich der Autoregulation bleibt der zerebrale Blutfluss auch bei Veränderungen des Perfusionsdrucks im Gehirn konstant. Grundlage: [7].
Nichtinvasive CO2-Überwachung bei der nichtinvasiven Beatmung von Neugeborenen
Die mechanische Beatmung und die Verabreichung von Tensiden spielen für den positiven Verlauf nach einer Frühgeburt eine zentrale Rolle. Es zeigt sich aber immer deutlicher, dass eine mechanische Beatmung insbesondere über einen längeren Zeitraum die Entwicklung der Lunge hemmen und so das Risiko für BPD erhöhen kann [9]. Damit rückten nichtinvasive Beatmungsmethoden und eine weniger invasive Verabreichung von Tensiden immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses [9].
Zu nichtinvasiven Beatmungsmethoden für Neugeborene gehören Beatmung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck der Nase (NCPAP), nasale intermittierende positive Druckbeatmung (NIPPV), Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (HFOV) und High-Flow-Nasenkanüle [10].
Bei den meisten dieser Beatmungsformen ist eine endtidale Kapnografie aufgrund der Eigenschaften der Neugeborenenlunge und der Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina, großem Beatmungstotraum, hohen Atemfrequenzen und kurzer Exspirationszeit nicht möglich [11].
In einer solchen Situation ist das transkutane Monitoring von CO2 eine geeignete nichtinvasive Methode zur kontinuierlichen Bereitstellung von CO2-Werten. Dies spiegelt sich in den Leitlinien der American Association For Respiratory Care (AARC) wider, in denen das transkutane Monitoring für die „mechanische Beatmung, einschließlich konventioneller Beatmungsformen, Hochfrequenzbeatmung, Hochfrequenz-Jetbeatmung und nichtinvasiver Beatmung“ [12] empfohlen wird. Die Arbeitsgruppe um Scrivens kam zu dem Schluss, dass „TCCO2 im Vergleich zur endtidalen Überwachung eine sichere und sinnvolle Möglichkeit für die PCO2- Überwachung mit weniger Blutentnahmen darstellt, wobei Eltern sich aber darauf verlassen können, dass eine angemessene Überwachung stattfindet“ [13].
Qualitätsverbesserungen und Sicherheit durch transkutanes Monitoring von CO2
Studien haben gezeigt, dass die Anzahl von Blutentnahmen bei Frühgeborenen mithilfe des transkutanen CO2-Monitorings um bis zu 25 % reduziert werden kann [14]. So wird nicht nur die Anzahl der schmerzhaften Eingriffe reduziert, denen ein Neugeborenes ausgesetzt ist, sondern auch der damit verbundene Blutverlust, der bei einem extrem unreifen Frühgeborenen in den ersten Lebenswochen bis zu 1/3 des gesamten Blutvolumens ausmachen kann [15].
Für das transkutane Monitoring wird ein Sensor verwendet, der bei Säuglingen üblicherweise auf 38 bis 44 °C erwärmt wird. Dies führte anfänglich zu Sicherheitsbedenken, insbesondere bei extrem unreifen Frühgeborenen mit äußerst empfindlicher Haut [16].
Diese Bedenken wurden durch erste Fallberichte über Hautläsionen verstärkt, die – so wurde angenommen – auf die Temperatur des Hautsensors zurückzuführen waren [17].
Die Arbeitsgruppe um Prizant berichtete von Hautläsionen bei Neugeborenen (neonatale Anetodermie). Sie vermuteten, dass es sich dabei um Komplikationen handelte, die von anderen in der Neonatalmedizin verwendeten Sensoren wie EKG, Temperaturfühler mit Klebstoff verursacht wurden. Sie nahmen an, dass das Risiko persistierender Hautschäden auf eine fehlende Rotation der Sensorplatzierung zurückzuführen war, anstatt nur auf hohe Temperaturen [18].
Moderne transkutane Geräte verwenden in der Regel eine niedrigere Temperatur für die Überwachung von CO2 bei Neugeborenen. In neuesten Fachartikeln wird nicht von langfristigen Hautschäden berichtet. In einer Studie wurde bei 2 % der überwachten Säuglinge ein vorübergehendes Erythem an der Anwendungsstelle beobachtet, dauerhafte Hautverbrennungen wurde nicht festgestellt [19].
Zusammenfassung
Die kontinuierliche Überwachung von CO2 ist ein wichtiges Element der Neonatalmedizin, insbesondere bei besonders kleinen und kranken Neugeborenen mit hohem Risiko für Veränderungen der zerebralen Perfusion aufgrund von CO2-Schwankungen. Idealerweise erfolgt die CO2-Überwachung mittels einer Kombination aus invasiven und nichtinvasiven Methoden. Das transkutane Monitoring von CO2 kann unabhängig von der Beatmungsmethode verwendet werden und bietet eine sichere, nichtinvasive Überwachung, sodass die Anzahl der entnommenen Blutproben, die für eine ordnungsgemäße Überwachung des Neugeborenen erforderlich sind, verringert werden kann.
Referenzen
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4. Hochwald O, Borenstein-Levin L, Dinur G, Jubran H, Ben-David S, Kugelman A. Continuous Noninvasive Carbon Dioxide Monitoring in Neonates: From Theory
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13. Scrivens A, Zivanovic S, Roehr CC. Is waveform capnography reliable in neonates? Archives of disease in childhood 2019; 104, 7: 711–15.
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19. Uslu S, Bulbul A, Dursun M, Zubarioglu U, Turkoglu E, Guran O. Agreement of Mixed Venous Carbon Dioxide Tension (PvCO2) and Transcutaneous Carbon
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